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Teil 5: Internal Investigations – Vorsicht, Falle!

Im Mittelpunkt aller Compliance-Aktivitäten von Unternehmen steht, die Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien durch ihre Mitarbeiter sicher zu stellen. Doch auch die besten Compliance-Management-Systeme sind keine Garantie dafür, dass nie etwas passieren kann. Gibt es Hinweise auf mögliche Compliance Verstöße, ist eine Sachverhaltsaufklärung unumgänglich – Zeit für den Auftritt der „Internal Investigators“. Doch Vorsicht: Bei Auswahl und Auftrag lauern einige Fallen!

(Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir im Text auch das generische Maskulinum. Gemeint sind immer alle Geschlechter.)

Interne Untersuchungen sind so ein bisschen wie die Wurzelbehandlung beim Zahnarzt: sehr schmerzhaft. Niemand mag sie und dennoch muss man da durch. Da hilft es, wenn man sich frühzeitig den Zahnarzt seines Vertrauens, also den Experten für die vorzunehmende Wurzelbehandlung gesucht hat. Aber wer soll die Interne Untersuchung im Unternehmen durchführen? Viele Unternehmer starten erst dann mit der Suche, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist – also der Verdachtsfall bereits eingetreten ist. Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es hektisch wird. Und wenn es hektisch ist, werden Fehler gemacht und es wird teuer. Genau diese Fehler können Sie aber vermeiden, wenn Sie frühzeitig mit der Suche und Auswahl eines Experten Ihres Vertrauens beginnen.

Haben Sie schon Ihre persönliche „112“ für eine Interne Untersuchung?

Unsere Empfehlung ist eindeutig: Unternehmensentscheider suchen sich den externen Spezialisten für eine Interne Untersuchung am besten, bevor sie ihn wirklich benötigen. So lassen sich in Ruhe Angebote vergleichen – und verhandeln. Wir haben bereits in früheren Blogs darüber geschrieben. Ein weiterer Vorteil: Mit einer entsprechenden Rahmenvereinbarung steht der Dienstleister für eine Interne Untersuchung quasi auf „Stand-by“ – im Idealfall reicht dann ein Anruf, um zuvor vereinbarte Abläufe in Gang zu setzen. Wir vergleichen dies gerne mit der „112“ – wenn es brennt, weiß man wo man anrufen muss.

Bevor wir uns der Frage widmen, ob sich aus unserer Erfahrung eher Anwaltskanzleien oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften für Interne Untersuchungen eignen, kümmern wir uns zunächst um die Erstellung der Ausschreibung.

Unsere Regel Nr. 1

Ganz gleich, wen Sie zu einer Angebotspräsentation einladen: weisen Sie den Anbieter nicht vorab darauf hin, dass Sie eine vorbehaltlose Aufklärung erwarten. Lernen Sie von dem anbietenden Berater, welche Ansätze er in Betracht zieht, wie kreativ er ist – und dann bewerten Sie, inwieweit das mit Ihren Erwartungen vereinbar ist.

Wir unterstellen mal, dass lückenlose Aufklärung Ihr Ziel ist. Denn eines sollte jedem Unternehmen klar sein: Wenn der Berater in seiner Internen Untersuchung weiße Flecken hinterlässt, in denen Sachverhalte – unbeabsichtigt oder aus taktischen Gründen – nicht ausreichend beleuchtet werden, besteht das Risiko, dass später die Staatsanwaltschaft hier fündig wird. Und dann wird es richtig unangenehm.

Darf’s ein bisschen mehr sein?

Beim Umfang des Angebots legen Anbieter gerne mal „eine ganze Schippe“ drauf: Darunter fällt zum Beispiel eine umfassende E-Discovery als „unverzichtbarer Standard“. Dabei ist diese computergestützte Auswertung riesiger E-Mail-Korrespondenzen und sonstiger schriftlicher Aufzeichnungen nur in bestimmten Fällen notwendig – aber in jedem Fall sehr teuer.

Ebenfalls gerne im Standard-Bauchladen wird eine Auswertung nach „FCPA“-Maßstäben, also den amerikanischen Korruptionsvorschriften im Zusammenhang mit der Bestechung ausländischer Amtsträger angeboten. Auch hier gilt: Vorsicht! Dieses Vorgehen verschlingt immense Kosten und ist ebenfalls nur in klar abgrenzbaren Fällen nötig.

Kommt die Trennung von Verteidigung und Interner Untersuchung?

Einige Unternehmen sind – wie von uns empfohlen – bereits vorbereitet und können für Interne Untersuchungen auf ein – vielleicht sogar bewährtes – Tandem aus Kanzlei und Prüfungsgesellschaft zurückgreifen. Dabei ist es durchaus üblich, dass die vom Unternehmen zur Verteidigung eingesetzte Kanzlei eine Prüfungsgesellschaft unterbeauftragt, z.B. zur Durchführung der Internen Untersuchung oder Teile hieraus wie etwa die forensische E-Mail-Auswertung. Diese Konstellation wäre jedoch nicht mehr möglich, wenn das Verbandssanktionengesetz in seiner letzten Fassung aus der vergangenen Legislaturperiode in Kraft getreten wäre. In diesem Entwurf war vorgesehen, dass Verteidigung und Sachverhaltsaufklärung aufgrund des bestehenden und nicht wirklich auszuschließenden Interessenkonflikts streng voneinander zu trennen sind und unterschiedlich beauftragt werden – die gute alte „Tandem-Lösung“ hätte dann ausgedient.

Kanzlei oder Prüfungsgesellschaft?

Liebe Kanzleien, an dieser Stelle heißt es tapfer sein. Auch wenn es inzwischen vielleicht die ein oder andere Ausnahme geben mag: Wir würden ergebnisoffene „echte“ Interne Untersuchung eher nicht an eine Rechtsanwaltskanzlei bzw. nur an ganz wenige Ausnahmekanzleien vergeben. Meist fehlt es hier am nötigen Know-how in Bereichen wie Ermittlungen, Kriminalistik oder Psychologie. Eigenes IT-Know-how ist zudem selten vorhanden, was in komplexen Investigations aber dringend notwendig ist.

Ein weiterer Punkt, der für die Beauftragung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft spricht: Ihre Mitarbeiter sind gemäß der Wirtschaftsprüferordnung dazu verpflichtet, stets objektiv zu sein und den Prüfumfang offenzulegen. Eine mögliche Milderung der Sanktionen oder gar die Einstellung des Verfahrens, wie sie das Gesetz für nachgewiesen wirksame Compliance-Programme und eine vollumfängliche Sachverhaltsaufklärung durch das Unternehmen in Aussicht stellt, ist leichter erreichbar, wenn die Interne Untersuchung von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft durchgeführt wurde. Denn die Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit Staatsanwälten zeigt, dass diese den Ergebnissen der durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft durchgeführten Sachverhaltsaufklärung mehr vertrauen und sich dadurch kooperativer, etwa bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen, zeigen.

Die Sache mit der Kernkompetenz

Fazit: Im Falle staatsanwaltlicher Ermittlungen benötigt ein Unternehmen sowohl die Dienste einer guten Kanzlei als auch die Unterstützung einer Prüfungsgesellschaft: Jede in ihrer Kernkompetenz: Verteidigung durch die Kanzlei, Sachverhaltsaufklärung im Rahmen einer Internen Untersuchung durch die Wirtschaftsprüfer. Die Koordinierung der unterschiedlichen Tätigkeiten erfolgt nicht durch die externen Anwälte oder die Prüfer, sondern durch das beauftragte Unternehmen selbst. Sollte diese wichtige Aufgabe nicht vom Unternehmen selbst geleistet werden können, kann dies auch ein unabhängiger, externer Dienstleister übernehmen.

Bis zum nächsten Mal. Dann geht es um Heinz-Günther S. und Compliance-Risiko-Szenarien.

Bis dahin wünschen wir Ihnen immer mindestens eine Handbreit Wasser unter dem Compliance-Kiel.

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Nadine Jacobi        Steffen Salvenmoser