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Teil 2: Warten Sie nicht, bis der Staatsanwalt klingelt

Noch immer gibt es mittelständische Unternehmen, die davon überzeugt sind, dass Compliance-Richtlinien eher ein Thema für Konzerne seien. Plötzlich geht jedoch ein Hinweis ein, der die Geschäftsführung zum Handeln zwingt. Und auf einmal muss alles ganz schnell gehen …
Das Fatale: Überstürzte Aktionen verursachen vor allem beim Thema Compliance unnötig hohe Kosten und gefährden den Erfolg notwendiger Maßnahmen.

(Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir im Text auch das generische Maskulinum. Gemeint sind immer alle Geschlechter.)

Plötzlich ist er da, der Staatsanwalt. Mitgebracht hat er Vollzugsbeamte mit großen leeren Kisten. Es geht um den Verdacht, dass die Firma einen Amtsträger im Ausland bestochen habe. Innerhalb weniger Stunden sind Akten und Festplatten in den Dienstwagen verstaut und der Zugang zu den Mail-Systemen ist offen. Die Rechtsabteilung konnte das nicht verhindern. Und damit nicht genug: Die Medien haben von der Sache Wind bekommen. In kürzester Zeit verbreitet sich die Nachricht über das Internet und die sozialen Netzwerke.

Ein solcher Anlass versetzt selbst Vorstand, Rechts- und Compliance-Abteilung eines Großkonzerns in höchsten Alarmzustand. Sofort wird externe Unterstützung bei einer Kanzlei oder Prüfungsgesellschaft angefordert. Und wie reagiert in solchen Fällen ein mittelständisch geprägtes Unternehmen? Wahrscheinlich genauso. Häufig gibt es jedoch einen gravierenden Unterschied: In den meisten Fällen hat der Konzern sein Wunschteam bereits lange vorher auf Basis einer sorgfältig erstellten Ausschreibung ausgewählt und die Honorarfrage geklärt.

Die Kosten gehen „durch die Decke“

Noch immer begreifen viele mittelständische Unternehmen das Thema Compliance eher als lästige Pflicht und nicht als strategische Funktion. Dies führt im konkreten Beispiel dazu, dass das Unternehmen unvorbereitet ist und unter Zeitdruck keine Chance mehr hat, den passenden Dienstleister in Ruhe auszuwählen und sein Honorar zu verhandeln.

Hinzu kommt die Angst des Auftraggebers vor Fehlern. Also wird im Zweifel ein zu großes Team bei einer namhaften Kanzlei/Prüfungsgesellschaft mit einem zu umfangreichen Dienstleistungspaket gebucht. Es kommt, was kommen musste: Die Kosten gehen „durch die Decke“.

Es gibt kein wirkliches Exit-Szenario

Parallel dazu wächst die Ungeduld des Geschäftsführers. Seine Kritik, „zu viele“, „zu unkoordiniert“, „zu teuer, wird langsam lauter. Sie bleibt allerdings ohne Folgen. Schnell wird ihm klar: In diesem Rennen kann niemand das Pferd  — pardon —  den Dienstleister wechseln. Die Einarbeitung einer anderen Kanzlei würde zu viel Zeit und zu viel Geld kosten. Fest steht: Es gibt zu diesem Zeitpunkt kein Exit-Szenario mehr, erst recht nicht für mittelständische Unternehmen, die nicht über die Ressourcen eines Konzerns verfügen.

Daher sollten sich auch mittelständische Unternehmen auf derartige Notfälle professionell vorbereiten.

Unser Tipp: Ohne Zeitdruck sollten unterschiedliche Kanzleien und Prüfungsgesellschaften im Vorfeld unter die Lupe genommen werden. Natürlich sorgt die Einkaufsabteilung dafür, dass alle formalen Bedingungen einer Ausschreibung erfüllt werden – die Inhalte sind jedoch Aufgabe der Compliance-Abteilung, abgestimmt mit Geschäftsführung und Rechtsabteilung.

Hinterfragen Sie den „Standard-Bauchladen“!

Unser Tipp: Gehen Sie bei der Suche nach einem geeigneten Dienstleister sorgfältig vor, vermeiden Sie jedoch zu detaillierte Vorgaben. Anhand des Umfangs und der Zielrichtung des Angebots, können Sie bereits erste wertvolle Erkenntnisse gewinnen. Wird beispielsweise ein „Standard-Bauchladen“ mit vielen unnötigen Neben-Dienstleistungen angeboten, dann sollte dies kritisch hinterfragt werden.

Beispiel: Das Angebot, grundsätzlich eine „E-Discovery“ durchzuführen, also eine computergestützte Auswertung umfangreicher elektronischer Daten wie E-Mails, ist wenig sinnvoll. Sie kostet sehr viel Geld und ist tatsächlich nur bei bestimmten Sachverhalten angezeigt.

Noch ein weiteres Beispiel gefällig?

Die Staatsanwaltschaft ermittelt in Ihrem Unternehmen wegen des Verdachts der Bestechung italienischer Amtsträger. Der zum Pitch eingeladene Dienstleister empfiehlt, neben der Sachverhaltsaufklärung zum konkreten Vorwurf der Bestechung italienischer Amtsträger auch gleich mit abzuklären, ob Vorschriften des Foreign Corrupt Practices Act, also den amerikanischen Bestechungsvorschriften, verletzt wurden. Damit können Sie ganz sicher gehen, dass die Kosten wahrlich explodieren.

Wollen Sie C-Kunde oder A-Kunde sein?

Häufig werden ausschließlich „prominente“ Kanzleien oder Prüfungsgesellschaften zur Vorstellung eingeladen. Hohe Marktanteile oder spektakuläre Mandate sollten aber nicht die einzigen Auswahlkriterien sein. Auch hier gilt die alte Regel: Will ich C-Kunde bei einem großen Dienstleister sein oder A-Kunde bei einem mittleren? Und welcher Anbieter kann 100%ig garantieren, dass im Ernstfall der angekündigte prominente Anwalt X aus den eigenen Reihen innerhalb kurzer Zeit vor Ort sein kann, wenn die Staatsanwaltschaft gerade die Büros durchsucht. Der wird sicher nicht warten, bis der berühmte Rechtsanwalt zwischen Aufsichtsratssitzung und Hauptversammlung ein freies Zeitfenster findet. Insbesondere hochangesehene Experten haben oft langfristig fixierte Termine in ihren Kalendern. Abgesehen davon, werden auch die Stundensätze des prominenten Anwalts entsprechend hoch sein. Stundensätze von über EUR 750,– für den eingesetzten Partner sind da keine Seltenheit.

Sind all diese Fragen geklärt und gibt es gute Gründe, die prestigeträchtige (Groß) Kanzlei oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu verpflichten, gibt es hier noch ein paar weitere Tipps aus der Praxis:

Unser Tipp zur Pitch-Präsentation:
Lassen Sie sich bestätigen, dass die Kanzlei-Mitarbeiter des Pitch-Teams auch tatsächlich später Teil des Projektteams sind. Sollten Sie andere Mitarbeiter bevorzugen, wäre dies Ihre Anforderung vor einer Vertragsunterzeichnung. Im Idealfall werden Ihnen verschiedene Profile vorgelegt, aus denen Sie Kandidaten für ein Vorstellungsgespräch wählen können.

Unser Tipp zur Durchführung eines Projekts:
Auch während eines Projekts gibt es Anlässe, als Auftraggeber wachsam zu bleiben. Manchmal fragt man sich, ob wirklich alle Teilnehmer der Besprechung erforderlich sind. Die Frage nach dem Sinn einer solchen Mehrfach-Besetzung ist mehr als erlaubt. Es ist nicht immer leicht zu unterscheiden, ob es sinnvoll ist, mit dem ganzen Untersuchungsteam zu sprechen oder ob dadurch unnötige Kosten produziert werden.

Zweier-Konstellationen auf Seiten des Dienstleisters können zum Beispiel durchaus sinnvoll sein. Dies gilt vor allem für Gespräche mit Kanzlei-Partnern oder Prüfern, die nicht permanent vor Ort sein können. Hier sorgt die Doppelbesetzung dafür, dass besprochene Inhalte nicht im Stille-Post-Prinzip innerhalb des Dienstleister-Teams weitergegeben werden.

Ausblick auf Teil 3 unserer Blogserie

Es muss nicht immer gleich die Herausforderung sein, dass der Staatsanwalt mit einer Vielzahl von Vollzugsbeamten vor der Tür steht.Auch ein eilig beauftragtes Compliance-Management-System hat seine Tücken. Dass dies immer wieder passiert und welche Fehler zum Aufbau eines Compliance-Management-Systems vermieden werden können, zeigen wir Ihnen in unserem nächsten Blogteil.

 

Bis dahin wünschen wir Ihnen immer mindestens eine Handbreit Wasser unter dem Compliance-Kiel.

Wir freuen uns darauf, Ihnen in Kürze mehr zu berichten und wünschen bis dahin immer mindestens eine Handbreit Wasser unter dem Compliance-Kiel.

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Nadine Jacobi         Steffen Salvenmoser