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Teil 4: Warum der Hausanwalt nicht immer der beste Compliance-Berater ist

Es ist so weit: Der Unternehmer hat sich durchgerungen, einen externen Compliance-Berater an Bord zu holen. Aber wer eignet sich am besten? Unternehmen gehen bei ihrer Suche grundsätzlich zwar systematisch vor: Referenzen werden eingeholt, der Markt sondiert, Preise und Leistungen verglichen. Am Ende bleibt jedoch die große Frage: Hausanwalt, Großkanzlei oder Prüfungsgesellschaft?

(Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir im Text auch das generische Maskulinum. Gemeint sind immer alle Geschlechter.)

Um es gleich vorwegzusagen: Alle genannten Kandidatenkreise leisten wertvolle Arbeit. Sie bieten, jeder für sich, viele Vorteile – aber wie das Leben so ist: es gibt auch Nachteile. Allein für diese Binsenweisheit hätten wir diesen Blog selbstverständlich nicht geschrieben. Also schauen wir genauer hin.

Die Meinungen sind klar verteilt

Im erweiterten Bereich der Geschäftsleitung eines Unternehmens sind zumindest in zwei Ressorts die Meinungen klar verteilt: Der Chief Compliance Officer ist sehr häufig ein Jurist. Seine Tendenz geht bei der Vergabe eines Beratungsauftrags zur Durchführung einer Internen Untersuchung daher in Richtung einer Rechtsanwaltskanzlei. Demgegenüber steht der Chief Financial Officer oder Leiter Interne Revision: Beide bevorzugen für solche Aufträge fast immer eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Soweit die Vorurteile. Eines vorweg: Es kommt immer darauf an.

Kann der Hausanwalt wirklich alles?

Lassen Sie uns mit dem „Haus- und Hofanwalt“ beginnen. Diese juristische „Allzweckwaffe“ eignet sich für zahlreiche Aufgaben. Daneben ist er nicht selten gleichzeitig persönlicher Ratgeber des Inhabers oder Geschäftsführers. In der oftmals langjährigen Zusammenarbeit ist ein großes Vertrauensverhältnis entstanden. Zuweilen geht dieses so weit, dass auch mal steuerliche Fachfragen diskutiert werden – die als Spezialwissen allerdings gelegentlich über dessen Kompetenzen hinausgehen, genauso wie komplexere Compliance-Fragen.

Bei Compliance geht es nicht um „Auswege“

Insbesondere bei Compliance-Projekten kommt es darüber hinaus zu einem, wie wir es nennen, Interessenkonflikt. Ein Geschäftsführer fordert von seinem Anwalt häufig, juristische Aus- oder Umwege zu finden, damit das Geschäft genauso weiterlaufen kann wie bisher. Genau dies ist jedoch nicht die Aufgabe eines Compliance-Beraters. Dieser muss dafür Sorge tragen, dass Risiken frühzeitig identifiziert und alle Gesetze und Richtlinien eingehalten werden – auch wenn dadurch Prozesse und Abläufe im Unternehmen geändert werden müssen. An dieser Stelle betonen wir noch einmal, dass wir keine Zweifel an der Professionalität des Hausanwalts haben. Für Compliance-Aufgaben ist er unserer Meinung nach jedoch nicht die ideale Besetzung.

Was genau ist Ihr Problem?

Unser Tipp:
Bleiben in unserer Simulation also noch zwei Kandidatenkreise: Auf Compliance spezialisierte Kanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Unsere Entscheidungshilfe Nummer eins: Um den bestmöglichen externen Berater zu finden, muss das Unternehmen im ersten Schritt genau definieren, wie der eigene Bedarf aussieht. Soll ein Compliance-Management-System aufgebaut werden? Geht es um einen Notfall, weil der Staatsanwalt ermittelt? Oder wird Unterstützung für eine Interne Untersuchung (auch „Internal Investigation“ genannt) benötigt? Dies sind alles Compliance-Themen, erfordern jedoch zum Teil sehr unterschiedliche Expertisen.

Wer baut das beste Compliance-Management-System?

Die Frage nach dem „besten CMS“ ist genauso seriös wie die Frage nach dem „besten Auto“ oder der „besten Musik“. Dies gilt auch für den „besten Berater“: Kanzlei oder Prüfungsgesellschaft. Geeignet sind grundsätzlich beide. Es gibt jedoch Anhaltspunkte, mit denen die Auswahl leichter fällt.

Eines gilt immer: Ein seriöses Angebot beginnt mit einer angemessenen Compliance-Risiko-Analyse Ihres Unternehmens. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine wichtige Rolle: Branche, Internationalität, identifizierte Compliance Verstöße und bereits vorhandene Compliance-Maßnahmen bilden hierbei die Eckpfeiler. Weitere wichtige Aspekte sind unter anderem, ob Ihr Unternehmen mit „third parties“ (z.B. Sales Agents, Distributoren oder vertrieblich eingesetzte Berater) arbeitet oder mit Behördenvertretern, sogenannten Amtsträgern, im Ausland Verträge schließt. Können Kanzlei oder Prüfungsgesellschaft in diesen Themen mit guten Referenzen aufwarten, zum Beispiel mit ähnlichen Projekten in der gleichen Branche, ist dies ein erster Pluspunkt.

Verfügt Ihr Unternehmen bereits über große Compliance-Erfahrung und sucht nur in einigen Spezialbereichen externe Unterstützung, ist der gerne angebotene, weil honorarträchtige „Rundum-Check“ mit allem “Schnickschnack“ sicherlich zu viel des Guten. Beharrt ein Anbieter auf diese Leistung, ist er sicherlich nicht der ideale Partner. Wichtig: Formulieren Sie den Status Ihres Compliance Management Systems (CMS)  in der Ausschreibung. Entsprechend günstiger wird das Angebot.

Gesetzgeber fordert nicht grundsätzlich ein umfassendes CMS

Unternehmen, die eher weniger oder kaum Compliance-Erfahrung haben, fühlen sich häufig verunsichert, wenn Angebote eher schmal gehalten werden. Meistens folgt dann die Frage: „Sind Sie wirklich sicher, dass das ausreicht?“ Natürlich gibt es hier keine pauschale Empfehlung, fest steht jedoch:

Nirgendwo steht geschrieben, dass jedes Unternehmen – ungeachtet dessen Größe – möglichst zahlreiche und umfangreiche Richtlinien benötigt. Im Gegenteil: In der Gesetzesbegründung zum Verbandssanktionsgesetz, das in der letzten Legislaturperiode allerdings nicht mehr verabschiedet wurde, wird ausdrücklich klargestellt, dass bei kleinen und mittleren Unternehmen mit geringem Risiko von Rechtsverletzungen schon wenige, einfache Maßnahmen ausreichend sein können und der „Zukauf“ eines Compliance-Programms oder von Zertifizierungen insoweit regelmäßig nicht erforderlich sei.

Fazit bis hierhin: Die Frage, ob eine Kanzlei oder eine Prüfungsgesellschaft der bessere Partner ist, sollte nicht pauschal, sondern fallweise beantwortet werden.

In unserem nächsten Beitrag geht es um Interne Untersuchungen, auch Internal Investigations genannt.

Bis dahin wünschen wir Ihnen immer mindestens eine handbreit Wasser unter dem Compliance-Kiel.

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Nadine Jacobi         Steffen Salvenmoser